Andri Struzina sattelt um.
Von: Ines Michel
Andri’s Ziel war es, sich im leichten Doppelzweier für die Olympischen Spiele in Paris zu qualifizieren. Für dieses Projekt hat Andri viel investiert.
Er konnte gute Fortschritte machen und sich sportlich wie auch mental in den vergangenen Monaten nochmals verbessern. Dennoch ist er nicht für Paris selektioniert worden, es starteten zwei andere Sportler. Andri hätte als Ersatzmann zu den Olympischen Spielen fahren können, aber das lehnte er ab. «In der Position als Ersatzmann», sagt Andri, «sei er nicht glücklich gewesen».
Sein Plan ist, trotz grossen Bemühungen, nicht aufgegangen. Andri konnte seine Ziele nicht verwirklichen. Wie erging es ihm in der Zwischenzeit und was macht er jetzt?
Andri, wir haben gehört, dass du dein Ruderboot gegen ein Velo getauscht hast. Wie kam es dazu? Gedanken an einen Wechsel in den Radsport sind schon länger in meinem Kopf herumgeschwirrt. Eigentlich seitdem klar war, dass Leichtgewichtsrudern nach Paris nicht mehr olympisch sein wird. In meinem Kopf haben sich diese Gedanken nach und nach zusammengesetzt und der Plan in den Radsport zu wechseln reifte.
Glücklicherweise habe ich im vergangenen Jahr Martin Elmiger kennengelernt. Ich fasste mir ein Herz und schrieb Martin an, wollte wissen, was er über meine Idee denkt und ob er mich dabei unterstützen würde. Er war sofort begeistert und ab diesem Moment war klar, dass ich da etwas versuchen wollte.
So ein Wechsel ist sicherlich nicht einfach - was für Ziele hast du und wie wirst du diese verfolgen? Mit der Zeit haben Martin und ich herausgefunden, wie mein Weg vom Rudersport in den Radsport aussehen könnte. Mein Ziel auf dem Velo ist es, in den nächsten zwei bis drei Jahren einen Profivertrag zu erhalten. 2026 würde ich gerne bei der Tour de Suisse mitfahren. Mein Engagement nehme ich sehr ernst und für mich ist es wichtig, dass ich nochmals voll angreifen kann. Ebenfalls war mir wichtig, dass ich das ganze professionell aufziehe.
Spitzensport bedeutet Verzicht und beharrlichen Einsatz, körperlich wie auch mental. Als Weltmeister könntest du auf dem Höhepunkt deiner Sportlerkarriere zurücktreten. Warum tust du dir diesen Wechsel an? Ich wollte definitiv noch nicht mit dem Spitzensport aufhören, es macht mir immer noch sehr grossen Spass. Durch das Rudern habe ich in den letzten sieben Jahren so viel lernen dürfen, sei es im mentalen Bereich, ernährungstechnisch, physisch. Ich wollte nicht einfach sagen, jetzt sind die Leichtgewichtsklassen nicht mehr olympisch und ich gehe halt studieren. Ich habe so viel investiert, diese Basis möchte ich noch nutzen.
Was bringst du als Ruderer mit, um im Radsport erfolg-reich zu werden? Als Ruderer bringe ich sicher gute Beine mit. Meine Leistungswerte sind schon jetzt sehr gut. Ebenfalls bin ich mental stark und Themen wie Gewichtsmanagement sind mir nicht neu. Da habe ich sicherlich einige Vorteile. Ich starte nicht bei null und das ist ein Grund, warum ich mir auch zutraue, mein ehrgeiziges Ziel zu erreichen. Einfach so aus dem nichts in den Velosport einzusteigen, ist schwer möglich. Aber wenn man vorher in einem anderen Sport mit ähnlichen Voraussetzungen erfolgreich war, kann man viele Sachen mitnehmen.
Und wie bist du in der Radsportgemeinde aufgenommen worden? Grundsätzlich bin ich gut aufgenommen worden. Ich habe das Gefühl, die Leute haben Freude an meinem Projekt. Sie finden cool, dass ich es versuche. Kritische und negative Stimmen wird es sicherlich auch geben, das ist mir klar. Aber in der Schweiz ist es ja meistens so, dass man als Betroffener davon nichts mitbekommt.
Wo siehst du die grösste Herausforderung? Die grösste Challenge ist sicher das Rennen an sich zu fahren, da habe ich bisher noch keinerlei Erfahrung gesammelt. Es sind vor allem taktische Themen, wie zum Beispiel mit meiner Energie während mindestens drei Stunden Wettkampfdauer zu haushalten. Oder das Gespür zu entwickeln, wann ich im Feld mitrollen sollte und wann der richtige Zeitpunkt für einen Angriff wäre. Oder auch einfach mitzubekommen wann, was im Feld passiert und darauf dann richtig zu reagieren. Das ist sicher für mich eine grosse Challenge. Also einfach gesagt: wie gewinnt man ein Radrennen.
Nachdem klar war, dass es für dich nicht nach Paris geht - Wie bist du mit der Situation umgegangen? Am Anfang habe ich Zeit und Abstand vom Rudersport gebraucht. Ich war auch bewusst nicht an den Schweizer Meisterschaften. Das ich es nicht zu den Olympischen Spielen geschafft habe, hat mich schon sehr mitgenommen. Das ist mein grosser Traum. Darum habe ich mich nicht zu fest in die Ruderszene einbringen wollen. Das hätte mir unterm Strich mehr weh- als gutgetan.
Und wie stehst du langfristig zum Rudersport? Ich bleibe dem Rudersport sicher erhalten. Und ich möchte ich dem See-Club etwas zurückgeben. In welcher Form, kann ich noch nicht sagen. Ebenfalls wäre es mir noch wichtig, wenn mein späterer Beruf mit Sport und Rudern zu tun hätte. Aber als Trainer sehe ich mich derzeit nicht, eher in irgendeiner anderen Funktion.
Einfach mal so die Sportarten wechseln?
Ambitioniert aber nicht unmöglich.
Da sich Rudern und Radsport als komplementäre Sportarten eignen, ist ein Wechsel von der einen zur anderen Sportart, auch im Profibereich, nicht unmöglich. Viele Ruderer sind ohnehin auf dem Rad aktiv.
Andri ist nicht der erste Ruderer, der im Radsport Fuss fassen möchte.
In der Vergangenheit gelang dies bereits Sportlern wie Cameron Wurf, Drew Ginn, Rebecca Romero, Hamish Bond, Rainer Kepplinger oder Carolina Lüthi. Als aktuellstes Beispiel kann das Umsatteln des Deutschen Jason Osborne erwähnt werden. Der ehemaligen Leichtgewichtsruderer und Silbermedaillengewinner aus Tokio beendete seine Ruderkarriere Ende 2021. Seit der Saison 2023 fährt er in der World Tour-Auswahl eines Profiteams.
Der Wechsel vom Rad ins Boot hingegen gestaltet sich als herausfordernder. Augenscheinlich sind wenige Beispiele zu finden, wie der misslungene Umstieg von Sir Bradley Wiggins.