Geplatzt, wie eine Seifenblase.
Von: Ines Michel
Träume wachsen leise – und zerplatzen laut. Vor allem im Spitzensport. Denn nach einer verpassten Olympiaqualifikation werden Sportler oftmals dazu gedrängt sich zu erklären und Stellung zu beziehen.
Dabei wird dem „Verlierer“ häufig noch nicht einmal Zeit gelassen, das Erlebte zu sortieren. Geschweige denn zu verarbeiten. Schliesslich reden wir von einem Spitzensportler. Und der wird es ja wohl draufhaben, wie eine Maschine zu funktionieren.
Die Olympischen Spiele in Paris sind Geschichte. Im Vorfeld wurden, fernab der rudersportinteressierten Öffentlichkeit, Gespräche geführt. Es wurden Leistungstest absolviert, die Weltcups besucht und letzlich fällte Swiss Rowing in Zusammenarbeit mit Swiss Olympic den entgültigen Selektionsentscheid.
Nicht mit im Aufgebot bedacht wurden unsere beiden Sportler: Patricia Merz und Andri Struzina. Der Traum von Olympia? Geplatzt, wie eine Seifenblase.
Paradoxe Wahrnehmung.
Leistungssportler streben nach Leistung – Sie loten ihre Grenzen konsequent aus und messen sich gegeneinander.
Auf einen Sieger kommen aber ein Vielfaches mehr Sportler, welche auf dem Weg zum Ziel den Anschluss verpassen. Sei es aufgrund mangelnden Talents, fehlenden Glücks, schlechter Rahmenbedingungen, zu wenig Aufopferung oder schlicht und einfach, weil es bessere Konkurrenten gibt.
Scheitern ist faktisch wahrscheinlicher als Erfolg, welcher häufig als Normalität betrachtet wird.
Zwar wird das Scheitern (in allen Lebenslagen) nicht mehr tabuisiert, dennoch herrscht oftmals grosse Unsicherheit, wie man nun mit diesem Thema umzugehen hat. Dabei gehört Scheitern für jeden Sportler zum normalen Lauf der Dinge. Der Schluss liegt also nahe, dass gescheiterte Sportler vor allem ein Problem der Öffentlichkeit sind.
Scheitern als Bedrohung des Selbstwertes.
Niederlagen sind unausweichliche Erfahrungen. Und wahrscheinlich gibt es niemanden, der sich über eine Niederlage freut. Sein Ziel zu verfehlen, darf Emotionen auslösen. So individuell Sportler mit Niederlagen umgehen, so vielfältig werden auch deren Emotionen ausfallen.
Ist das eigene Selbstbild oder die soziale Rolle durch Leistung definiert, erscheint eine Niederlage noch erdrückender. Und allzu schnell wird das Scheitern zur Bedrohung des Selbstwertes. Eine Situation, an welcher wohl viele Menschen in der heutigen Zeit zu knabbern haben.
Wie schnell wird ein Arbeitnehmer bei einer ausbleibenden Beförderung oder gar Kündigung als Versager abgestempelt? Wie schnell wird ein Urteil gefällt, ohne auch nur eine leiseste Ahnung der Hintergründe zu haben? Genau diese Parallelen können auch im Leistungssport beobachtet werden.
Das Stehaufmännchen.
Um an einer Niederlage zu wachsen, muss richtig damit umgegangen werden. Das ist einfacher gesagt als getan. Werden Ziele und Träume vom engeren Umfeld in den Sportler projiziert, wird es noch kniffliger.
Während sich die einen innerlich zerfleischen und im Selbstmitleid versinken, rappeln sich andere bald wieder auf, fegen die Scherben zusammen und bauen etwas Neues auf. Das Zauberwort heisst Resilienz - die Fähigkeit Krisen zu meistern und als Anlass zur Weiterentwicklung zu nutzen. Durchaus ermutigend: Resilienz kann trainiert werden.
Freiraum lassen.
Welchen Weg ein Sportler wählt und wie lange der Prozess dauert ist individuell verschieden.
Letztlich geht um die Annahme und wohlwollende Tolerierung der eigenen Charaktereigenschaften, Bedürfnisse und subjektiven Schwächen. Wer es schafft Freundschaft zu sich selbst zu schliessen, der wird es einfacher haben, einer Niederlage etwas Positives abzugewinnen. Aber selbst darüber könnte wohl stundenlang diskutiert werden.
Wichtig scheint in diesem Zusammenhang noch die Erkenntnis, dass der Athlet niemandem etwas schuldet. Denkt man sich einmal ehrlich in die Situation des Sportlers hinein, dann würde man sich wohl Unvoreingenommenheit, Offenheit und Aufrichtigkeit des Gegenübers wünschen, oder?
Wie man es dreht und wendet, die nicht Selektion von Patricia und Andri ist eine herausfordernde Situation, welche die beiden zu meistern haben. Und - wie ihr noch lesen werdet - von den beiden auf unterschiedliche Art und Weise angepackt wird.