Von: Ines Michel

 

Was den Schweizern das Schwingen ist den Ostfriesen das Bosseln. Manch einer wird wohl dem Glauben aufsitzen, dass Ostfriesen eher wortkarg und verschlossen sind – ganz anders Gregor: offen und so gar nicht wortkarg erzählt mir der sympathische Norddeutsche, von seinem Werdegang, wie er bei uns aufgenommen wurde und was seine Pläne für die Zukunft sind.

 

Gregor, wie kamst du zum Rudern? Ich habe mit sechs Jahren angefangen Handball zu spielen. Irgendwann mit 12 oder 13 Jahren meinten meine Eltern, dass wäre nicht genug. Wahrscheinlich würde man heute sagen, dass ich ein hyper- aktives Kind war. Ich habe dann erst kurz Paddeln ausprobiert und bin dann aber schnell über meinen Onkel zum Rudern gekommen. Damals lernte man noch im breiten GIG Einer. Kurz darauf war ich auf meiner ersten Regatta.  Nach einem Jahr löste sich mein Ruderverein in Norden  auf und ich wechselte zum Emder Ruderverein. Da sind wir dann eigentlich alles gefahren. Das habe ich dann bis zum Abitur gemacht.

 

Wart ihr erfolgreich? Im Juniorenbereich waren wir recht gut unterwegs, wir haben es sogar in die Juniorennationalmannschaft geschafft. Allerdings war ich ein bisschen klein für einen Ruderer. Irgendwann konnte ich nicht mehr in den besten Booten mit sitzen und verlor die Motivation. Zu dieser Zeit habe ich ebenfalls eine Ausbildung gemacht und bin kurz darauf zum Studium nach Göttingen gezogen. Da ist kein Wasser in der Nähe und ich war dann erst mal weg vom Rudern.

 

Wie ging es dann weiter? Nach dem Studium bin ich dann auf die Insel Juist gezogen und habe dort knapp 16 Jahre lang die Sparkassenfiliale geleitet.  

 

Zwischen Juist und Zürich liegen über 900 Kilometer und 8 Kilometer Fährfahrt – wie kommt es, dass du jetzt in der Schweiz lebst? Auf Juist habe ich meine jetzige Frau kennengelernt. Sie kommt aus der Schweiz und war damals in den Ferien unterwegs. Mein bester Freund hat sie bei mir untergebracht - weil sie mit seiner Freundin unterwegs war… Damals war ich nicht so begeistert, schliesslich kannte ich die Frau nicht! Naja, mittlerweile hält das 15 Jahre, also insofern hat das doch ganz gut funktioniert.

“Rudern auf Juist war undenkbar und Coastal Rowing gab es damals leider noch nicht.”

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Gregor ist fachlich breit aufgestellt. Neben der Ausbildung zum Fitnessinstruktor mit eidgenössischem Fachausweis, ist er SAFS Personal Trainer, CrossFit Trainer und Rudertrainer mit B-Lizenz.

Wie ging es dann weiter? Irgendwann waren wir es leid mit dem Pendeln. Meine Frau wollte nicht nach Juist ziehen. Juist ist wie ein kleines Bergdorf: Jeder weiss was Jeder macht. Und irgendwann mal reichts, so schön die Insel auch ist. Ich habe mich dann entschlossen, meine Frau nach Zürich zu begleiten.

 

Vom Banker zum Trainer? Ich dachte, in der Schweiz würde ich sicher einen Job in der Bankenwelt finden. Doch die Suche gestaltete sich schwieriger als gedacht. Ich schrieb unzählige Bewerbungen und es reichte für kaum ein Vorstellungsgespräch. Da ich in der Schweiz bleiben wollte, habe ich nach Alternativen gesucht und startete als Fitness-Instruktor beim Kieser Training.  

 

Ohne einen Background im Sport mitzubringen? Naja, sportaffin war ich ja schon immer. Auf Juist hatte ich damals nebenbei eine Wind- und Kitesurfschule eröffnet und eine Instruktor Ausbildung gemacht. Auch habe ich früher Jugendmannschaften im Handball und Rudern trainiert. Und als Instruktor bei Kieser tätig zu sein, war für mich eigentlich nur eine Übergangslösung. Doch ich  habe schnell gemerkt, dass die Leute sich freuen, wenn sie bes-ser werden. Und mir machte es auch Freude zu sehen, wie sie sich entwickelten. Die kamen gerne zu mir ins Training und lächelten am Ende sogar. Das habe ich als Banker nie so erlebt. Ich habe mich dann über mehrere Jahre als Personal Trainer selbständig gemacht.

 

Wie bist du dann zurück zum Rudern gekommen?  Als Personal Trainer muss man ja auch ein wenig fit sein und ich habe damals mit CrossFit angefangen, da wurde der Ruderergometer wieder ein  fester Bestandteil meines Trainings. So kam ich auf die Idee, mal wieder auf dem Wasser zu rudern.  

”Ich bin eher ein ruhigerer Typ der nicht so viel redet. Manchmal bin ich ein bisschen zu schlagfertig - da muss ich ein bisschen aufpassen.”

Das sollte in Zürich kein Problem darstellen, oder? Gregor lacht. Dachte ich auch, schliesslich gibt es dort ja einige Ruderclubs. Ich habe diverse Clubs abtelefoniert, aber nirgendwo durfte ich vorbei- schauen. Das kam mir alles sehr elitär vor.   Durch Zufall bin ich auf Melchior und Ursula Bürgin gestossen. Bei der ersten Stunde meinte  Ursula, ich könnte ja rudern. Ab da war ich wieder voll dabei. Ich habe schnell wieder angefangen Regatten zu fahren und auch erste Erfahrungen als Rudertrainer bei der Rudergesellschaft Zürich gemacht. Parallel hat es sich ergeben, dass ich ins Team der Stämpfli Ruderschule einsteigen konnte.

 

Und wie kamst du als Trainer zum See-Club Zug? Letzten Sommer fing ich an, Ausschau nach einer Anstellung als Rudercoach zu halten - spannenderweise waren einige Angebote frei.

 

Was hat dich am SCZ überzeugt? Im Vergleich zu allen anderen Vereinen hatte ich beim SCZ direkt ein gutes Gefühl und der ganze Bewerbungsprozess lief professionell ab.  Ebenfalls hat mich das Umfeld im SCZ sehr angesprochen, vor allem auch mit Stephan als erfahrenen Headcoach – er teilt sein Wissen und wir können uns austauschen und diskutieren. Und dann kommt natürlich noch dazu, dass es hier hoch motivierte Sportler gibt, die wirklich wollen. Es macht einfach Freude mit solchen Sportlern rauszugehen, sie auf ihrem Weg zu begleiten und dann natürlich zu schauen, ob man sie nicht vielleicht noch besser machen kann – das motiviert mich als Trainer sehr.

 

Was findest du noch cool am SCZ? Ich finde es zum Bei- spiel stark, dass Patricia Merz einfach so mal mitrudert oder uns Pam (Pamela Weisshaupt / Nachwuchs Nationaltrainerin Swiss Rowing) besuchen kommt und unser Training be- gleitet. Die unterschiedlichen Erfahrungen und Hintergründe der Sportlerinnen und Sportler sowie des Trainer-Teams hätte ich wahrscheinlich in keinem anderen Verein so gehabt und das ist für ich in den ersten Monaten natürlich schon ein riesen Gewinn.

"Es gibt Ausnahmetalente: die rudern superschön und sind superschnell aber die meisten haben irgendwo eine Sache, die nicht ganz so ins Bild passt."

Wie wurdest du aufgenommen? Es gab im Trainerteam ein Empfangs- und Abschiedstreffen. Da wurde  Julia verabschiedet und ich begrüsst. Das war extrem wert- voll, denn so habe ich wirklich alle Trainer kennengelernt. Normalerweise sind ja nicht immer alle zusammen im Training.

 

Und von den Sportlern? Das brauchte etwas mehr Zeit, man muss einfach warm miteinander werden. Zuerst wurde etwas geschaut und abgewartet - mittlerweile fordern die ambitionierten Sportler Feedback bei mir ein. Das ist natürlich toll, dass sie einen akzeptieren und dann auch deine Meinung abholen.

 

Was hat der Rudertrainer für Herausforderungen? Beim Rudern sitzen wir Trainer im Begleitboot und können die Sportler meist nur verbal coachen.  Das ist eine Herausforderung: wie sprichst du den Sportler an und wie bekomme ich das - was ich vermitteln möchtest - rübergebracht.

 

Das erfordert vom Coach  Flexibilität und Anpassungsfähigkeit. Genau. Und noch etwas: du musst bereit sein, immer mal wieder den Blickwinkel zu verändern - dich aus der eigenen Komfortzone herauszubewegen und mal einen anderen Ansatz zu durchdenken. Ich schätze es sehr, dass es zwischen den Trainern einen offenen, konstruktiven, kritischen und auch sehr angenehmen Austausch gibt, der mir das ermöglicht.

 

Welche Bedeutung hat Erfolg für dich? Ich selbst bin recht ehrgeizig - weiss aber auch, dass man für Erfolg hart arbeiten muss. Man bekommt nichts geschenkt und ich hoffe natürlich, den Sportlern das so vermitteln zu können. Aber ich bin auch der Überzeugung, dass die Ziele nicht alle Mittel heiligen. Als Trainer ist es meine Aufgabe, ehrlich zu Sportlern zu sein, wenn sie vielleicht nicht erreichen können was sie sich vorgenommen haben.

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Polysportiv - Gregor beim biken auf der Bettmeralp.

“Und das ist eine der schwierigsten Aufgaben - den Sportlern zu sagen, dass es vielleicht nicht bis ganz nach oben reichen wird.”

 

Wie hat sich der Rudersport in den letzten Jahren verändert? Ich weiss nicht, ob sich im Bootsbau oder der Bootskonstruktion noch viel tut, da sind andere sicher näher am Thema. Definitiv verändern sich allerdings Trainingsprinzipien und Trainingsmethoden. Bei den Umfängen, die heute gefahren werde, schlucke ich schon manchmal. Schlechtes Wetter wird heute gerne durch ein Ergometer Training substituiert. Klar verkraften die jungen Sportler:innen das, aber da bin ich mir noch nicht sicher, ob das der Weisheit letzter Schluss ist – bedenkt man gewisse Verletzungen, die als direkte Folge hoher Umfänge und einseitigen Trainings immer öfters auftreten. Im Gegensatz zu meiner Jugend ist Krafttraining heute nur noch rudimentär in die Trainingsgestaltung eingebunden – ich finde es wichtig, Krafttraining als begleitendes Training zu betrachten und entsprechend mehr aufzuwerten.

 

Verändert sich auch die Rudertechnik? Ja, Ruderschlag und der Rhythmus im Ruderschlag verändern sich. Ich schaue mir sehr gerne     Videos von Topsportlern an und mache mir dann dazu meine Gedanken. Warum etwas wie gemacht wird und was das   vielleicht für Vorteile bringt. Ebenfalls diskutiere ich gerne mit Trainerkollegen darüber und tausche mich aus. Das ist sehr wertvoll.

 

Dann könnte man die perfekte Technik doch einfach kopieren… Was technisch für den einen funktioniert, passt beim anderen so gar nicht.

 

Da kommt man nicht um harte Arbeit herum. Genau, es gibt aber auch Sportler, die fahren und fahren - aber es  kommt keine Geschwindigkeit ins Boot. Es ist manchmal so, als wenn die Leidenschaft und die Bereitschaft zum Leiden fehlt. Oder man ist mit dem Kopf nicht bei der Sache. Da kommt dann das Thema Kommunikation und Feedback wieder in den Vordergrund.

 

Wie meinst du das? Gutes und sachliches Feedback ist  wichtig. Aber eben auch nicht immer einfach zu geben - da tritt man ja ganz gerne mal ins Fettnäpfchen. Da braucht es als Trainer viel Fingerspitzengefühl: ich muss wissen, wie es dem Sportler gerade körperlich und mental geht, was ihn vielleicht beschäftigt oder bedrückt. Dann redet man jetzt glücklicherweise immer mehr von zyklusbasiertem Training – es gibt eben im Trainingsalltag einer Sportlerin nicht immer die gleichen körperlichen Gegebenheiten. Das muss ein Trainer wissen, berücksichtigen und auch drauf eingehen.

 

Klingt alles sehr komplex. Ich wüsste gerne, wo die Reise hingeht - aber das ist ja auch das spannende und Teil meiner Trainerphilosophie. Man kann nie sagen: so ist es und so wird es immer bleiben.

 

Hast du einen Ausgleich zum Trainerjob? Sport natürlich. Gregor lacht. Meine Frau und ich schafften es, einmal vier Wochen durch die USA zu fahren, von CrossFit Box zu CrossFit Box. Aber ich schaue auch bewusst für anderen Ausgleich. Es kommt auch ab und an mal vor, dass wir ein Wochenende wegfahren und nur Wellnessen und lecker Essen gehen. Und ich habe mittlerweile auch gelernt, für meine eigene Coachingtätigkeit das eigene Training ein bisschen hintenanzustellen.