Einmal im Jahr, kurz vor der Weihnachtszeit, zieht es eine Handvoll wagemutiger Menschen nach La Gomera, zum Start des härtesten Ruderrennen der Welt. 

Von: Ines Michel 

 

Die Herausforderung: Die Überquerung des Atlantiks in einem hochseetauglichen Ruderboot. Auf ihrem 5.000 Kilometer   langen Weg zur Karibikinsel Antigua warten extreme Bedingungen auf die Teilnehmer. Bis zu 6 Meter hohe Wellen, sengende Hitze mit bis zu 40 Grad und unbarmherzige Winde. 

 

Ende 2025 wird es auch für das Team 44west ernst. Das Besondere: es sind keine „harten Kerle“, Extremsportler oder   Gefahrensucher – es sind vier ganz normale Menschen, die sich dieser Herausforderung stellen werden. Julian, Matthias, Lorenzo und Luca eint die Liebe zum Rudersport. Und der Reiz Herausforderungen anzugehen. Die Idee über den Atlantik zu rudern, schlummerte bei allen im Hinterkopf. Der Anstoss, das Projekt zu starten, keimte im Sommer 2022.  

Bei einer Wanderung fassten Luca und Julian den Entschluss, dass es nun an der Zeit sei, der einstigen Idee Taten folgen zu lassen. Kurze Zeit später stiessen Lorenzo und Matthias hinzu und komplettierten das Viererbündnis. Ein Wort gab das andere und letztlich war man sich einig: diese Challenge wollen wir gemeinsam bestreiten, das Team 44west war geboren.  

 

Mit dem Entscheid über den Atlantik zu rudern, fordert man sich selbst heraus. Eine Extremerfahrung, welche einen an die Grenzen der eigenen Physis bringt. Aber auch eine Extremerfahrung, für welche der Kopf zu 100% bereit sein muss. Ganz sicher ein Projekt, welches den Alltag unserer vier Jungs bestimmt, neue Impulse bringt und für Anreiz und Motivation sorgt als Team gemeinsam zu bestehen. Ein riesiges Erlebnis, von welchem ein Leben lang gezehrt werden kann – so viel ist sicher. 

 

Eines wird deutlich, alle vier brennen für das Projekt. Ein solches Projekt anzugehen, bedeutet neben dem Erbringen der sportlichen Leistung aber auch, den sicheren Hafen des Vertrauten zu verlassen. Wer mutig genug ist sich auf unbekanntes Terrain zu wagen und seine Komfortzone zu    verlassen, wird das ein oder andere Mal zweifeln und Rückschläge einstecken müssen – das ist auch Julian, Luca, Lorenzo und Matthias klar. Hingegen sehen die vier viel mehr die Chance, persönlich an Ihrem Projekt zu wachsen – eine Art Lebensschule, welche einen schlussendlich auch in anderen Bereichen des Lebens weiterbringen wird.  

 

Was als eine Ferienidee im Sommer 2022 begann, hat mittlerweile professionelle Formen angenommen. Den ersten Gesamteindruck von dem, was einen auf dem Atlantik erwartet, holten sich Julian, Matthias, Lorenzo und Luca beim Team SWISS RAW, welches die Atlantiküberquerung Jahr 2021 in der schnel- lsten Zeit absolvierte. Für das aktuell dominierend Kraft- und Grundlagenausdauertraining greifen die vier vor allem auf ihre eigenen Erfahrungen aus Kaderzeiten und Mentoring von James Goodwin von SWISS ROWING zurück.

Um das Projekt erfolgreich zum Fliegen zu bringen ist neben einem umfangreichen Gesamt- überblick und dem sportlichen Training auch einiges an spezifischem Knowhow gefragt. Aktuell eignen sich die Jungs vom Team 44west – mit Unterstützung von Experten – ein breites Fachwissen rund um die Themen Ernährung, Navigation, Bootsreparatur- und Service, Wetterphänomene, Renntaktik aber auch den Umgang mit gesundheitlichen Herausforderungen, wie zum Beispiel der Seekrankheit, an. Es geht darum, einen möglichst umfangreichen Eindruck über potenzielle Herausforderungen zu bekommen. Ebenso wertvoll sind „best practice“ Tipps von ehemaligen Rennteilnehmern.  

 DSC3061

Der Approach des Teams 44west ist einfach. Da alle vier ehemalige Leistungssportler sind, wird das Boot zu bewegen - also möglichst effizient zu pushen - als Standard vorausgesetzt. Die schnellsten Teams sind solche, welche dieses Niveau möglichst lange konstant halten können und mit  sämtlichen Widrigkeiten und Rückschlägen bestmöglich umgehen. Und welche es meisterhaft verstehen, die natürlichen Gegebenheiten auf hoher See wirkungsvoll zu nutzen, ein nicht zu unterschätzender Faktor.  Auf dem Ozean kann durch perfekte Technik und unbändige Kraft nicht matchentscheidend viel gewonnen werden. Aber es kann sehr viel verloren werden. Eine Weisheit, welche für Julian, Luca, Lorenzo und Matthias von Bedeutung ist. Denn die vier wollen als erstes Boot in Antigua ankommen.  

logo-44-west-full-centered-large-bright@4x

Ein solches Projekt ist nicht umsonst. So romantisch die Vorstellung über den Atlantik zu rudern auch klingt, so schnell holt einen die Realität ein. Ein solches Projekt kostet nicht nur einiges an Energie und Zeit. Das Startgeld beläuft sich aktuell auf umgerechnet ca. CHF 25´000.-, ebenfalls das Boot ist mit round about CHF 110´000.- kein wirkliches Schnäppchen. Kommen noch dazu die Kosten für Sicherheitskurse, Nahrung, Ausrüstung, Versicherung und so weiter.  

 

Crowdfunding und 44° Club. Eine ansprechende Webpage und die regelmässige Präsenz auf Social-Media-Kanälen wird zur wichtigen Aufgabe. Eben- falls ansprechende Fotos und Videos sind in der heutigen Zeit überlebenswichtig, soll das Projekt nicht im grauen Sumpf der Informationsflut verschwinden. Bei der Webpage und der Video- und Foto Produktion erhält das Teams 44west ehrenamtliche Unterstützung – alles andere stemmen die vier aktuell noch selbständig. Es geht darum, möglichst viele Menschen zu erreichen und zu begeistern. Und letztlich auf Unterstützung hoffen zu können.  

Neben der Suche nach Partnern - welche das Projekt finanziell unterstützen oder sich anderweitig engagieren wollen - ist aktuell die grösste Herausforderung das umfangreiche Trainingspensum, den Alltag und die weitere Projektplanung unter einen Hut zu bringen.  

Das grösste Ziel ist, auf dem Boot die notwendige Routine zu sammeln, Abläufe zu automatisieren und Handgriffe zu perfektionieren – schlichtweg alles zu durchdenken, auszuprobieren und möglichst gut vorbereitet in La Gomera an den Start gehen. Da es sich um ein Self-Supported-Rennen handelt, sollte nichts dem Zufall über- lassen werden. Es gibt Teams, welche am Start noch am Material feilen, das möchte das Team 44west unbedingt vermeiden.  

 

Wovor haben die vier den grössten Respekt? Es gibt viele Gründe warum einem mulmig zumute werden könnte, wenn man sich auf eine solche Herausforderung einlässt. Sei es der Atlantik, welcher sich bis zum 8500 Meter unter dem Boot aufreisst, bis zu sechs  Meter hohe Wellen, peitschende Stürme oder schlicht und einfach Wildtiere, welche sich zu intensiv für das Boot interessieren. Neben diesen natür-    lichen Begebenheiten ist der Respekt vor der Seekrankheit wahrnehmbar. Denn weder   Julian, Matthias , Lorenzo noch Luca wissen, ob Sie anfällig sein werden.  

 

Bei allen Herausforderungen überwiegt dennoch die Vorfreude. Die Vorfreude  auf die ersten Ausfahrten auf offener See im eigenen Boot, die  Vorfreude am Renntag ins Boot zu steigen und zu wissen, es geht endlich los. Und die Vorfreude einfach mal weg von der Welt zu sein und die unberührte Natur hautnah zu erleben.  

 

„Stell dir vor eine Familie von Delfinen schwimmt mit uns mit oder ein Vogel kommt eine Woche lang immer wieder zurück zum Boot – das wäre unser Wunsch“.  

 

Besser kann man es wohl nicht in Worte fassen.

SSZ Ruderspritzer 03.23